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Jameda Patientenbewertungen

Joachim Schulz

Joachim Schulz, unser Hauptgesellschafter und Geschäftsführer, ist vor wenigen Tagen gestorben. Überraschend, viel zu früh, bestürzend für uns, betäubend-erschütternd für seine Familie, verstummen-machend und mit Emotionen ringend für jeden, dessen Seele und Gemüt nicht längst schon verwelkt ist.


Wenn ein Mensch stirbt, meinte der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal, nimmt er ein Geheimnis mit sich: Wie es ihm, gerade ihm und innerhalb seiner Daseins-Verhältnisse möglich war, auf eine bestimmte Art und Weise und nicht anders zu leben. Obwohl er diese seine Lebensform tagtäglich praktiziert, ist sie ihm selbst kaum bewusst – und auch die Außenstehenden und Mitmenschen kennen sein Geheimnis nicht.


Nicht anders ergeht es uns mit Joachim Schulz, von dessen beinahe sieben Jahrzehnte währender Existenz wir nur Momente, kurze Phasen, wenige Episoden und Augenblicke miterlebt, mitempfunden, mitgewundert, mitgelacht und mitgelitten haben. Wie hat er uns gesehen, bewertet, gemocht oder auch nicht? Wann war er glücklich, zufrieden, entspannt und heiter? Wer oder was kränkte ihn, wann geriet er in Affekt, und was waren für ihn die emotionalen und sozialen Klippen und Herausforderungen seines Daseins?


Er konnte lächeln, lachen, scherzen – und wenn er sich sicher fühlte, erzählte er gern und viel aus seinen oft abenteuerlich anmutenden Jahren in Fernost. Er liebte Jazz in den unterschiedlichsten Ausprägungen, und weil er (als ehemaliger semiprofessioneller Handballer) immer siegen wollte, ließ er meist nur Tonfolgen in Dur und nicht in Moll für sich und andere gelten. In der Hamburger Elb-Philharmonie fühlte er sich oftmals wohl und zuhause wie in seinem eigenen Jazz-Club, der Alten Wollfabrik, und über manche Melodien von John McLaughlin geriet er ähnlich ins Schwärmen wie über die Qualität eines Glases trockenem Silvaner.


Für manche Mitmenschen kaum sichtbar war seine zarte, verletzliche Seite, die er bisweilen hinter einem distanziert-schweigsamen Rückzug oder auch hinter seiner kräftigen körperlichen Konstitution zu schützen suchte. Daneben gab es in seinem Leben Momente des existentiellen Fragens, und manches, das von außen betrachtet als kraftvoll und wuchtig imponierte, war dem Schutz des Fragilen und Vulnerablen in ihm geschuldet. Weil es ihm schwerfiel, nein zu sagen und sein Gegenüber zu enttäuschen, formulierte er lieber joviale Kompromisse, die jedoch den Ereignissen und Belastungen des Daseins nicht immer standhielten.

Der griechische Philosoph Epikur schrieb vor Jahrtausenden, dass der Tod für uns ein Nichts ist: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Dies stimmt wohl für denjenigen, der stirbt, nicht aber für diejenigen, die ihn überleben. Trauer, Verlust, Schmerz kommen nicht dem Toten, sondern uns Überlebenden zu, und es gehört mit zu den Aufgaben von Überlebenden, diese Emotionen zuzulassen und ins eigene Dasein zu integrieren. Zu unseren Aufgaben gehört es aber auch, sich nach Wochen und Monaten der Trauer zu vergegenwärtigen, dass jedes Dasein begrenzt ist, sein Rand vom Nichts und vom Tod gesäumt wird und der Imperativ unserer Existenz darin besteht, die Spanne des Lebens so lange und intensiv wie möglich mit Sinn- und Wertvollem zuzubringen – die einzig produktive Antwort auf die Tatsache unseres Begrenzt-Seins.


Das Klinikum Schloss Lütgenhof, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie viele Patientinnen und Patienten haben Joachim Schulz Immenses zu verdanken: Sein nimmermüdes finanzielles, soziales und emotionales Engagement; seine häufig ansteckend gute Laune; seine uneingeschränkte und nachhaltige Identifikation mit der Personalen Medizin; seine enorme Arbeitskraft; seine Ideen und seine Zähigkeit, diese Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Umso sinnwidriger scheint es, dass solches Leben jäh endet, und diesem Faktum Sinn abtrotzen zu wollen, stellt sich nicht selten als vergebliche Bemühung heraus. Sinn, Wert und Bedeutung gibt es jedoch in den Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes und Erreichtes und darüber hinaus in jenen Bereichen unserer Existenz, die sich gegenwärtig und zukünftig als Aufgaben und Möglichkeiten unseres Daseins präsentieren.